Die Lage am Morgen – die Grün-Grauen Panther (2024)

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Die Lage am Morgen – die Grün-Grauen Panther (1)

Europa I: von der Leyen und die Brandmauer nach rechts

Die EU ist am Sonntag für alle erkennbar nach rechts gerückt. Keine unerwartete Entwicklung, überraschend ist eher, wie gleichförmig sie ablief.

In vielen Ländern legten Rechtspopulisten und extrem Rechte sprunghaft zu und erlangten knapp ein Drittel der Stimmen, so in Frankreich mit dem Rassemblement National (31,5 Prozent), so in Österreich mit der FPÖ (27 Prozent), so in Italien mit den Fratelli d’Italia (27,7 Prozent). Da wirken die 16 Prozent der deutschen AfD fast schon bescheiden.

Entscheidend ist nun, wie Ursula von der Leyen, die erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt werden will, mit dieser Entwicklung umgeht. Lockert sie die Zäune nach rechts, um Schlupflöcher zu ermöglichen, die eine Mehrheit bei ihrer Wahl im EU-Parlament sichern?

Oder zieht sie doch eine klare Linie und sucht die Unterstützung ausschließlich im linken, liberalen proeuropäischen Lager? Dann aber drohten bei einigen Themen erhebliche Konflikte, zum Beispiel zwischen Grünen und von der Leyens EVP (Verbrenner-Aus, Green Deal et cetera).

Von der Leyen braucht 361 Stimmen, um gewählt zu werden, die EVP hat 181 Sitze. Da fehlt noch einiges. Woher es kommen soll, wird die Kommissionschefin vielleicht heute erklären, wenn sie mit CDU-Chef Friedrich Merz um 13.30 Uhr vor die Presse tritt.

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Europa II: Alt, älter, grün

Die Grünen haben ein Seniorenproblem. Sie mögen beim reiferen Metropolenbewohner noch eine gewisse Attraktivität ausstrahlen. Bei einem Großteil der Jungen aber sind sie durch. In der Gruppe der 16- bis 24-Jährigen verlor die Partei im Vergleich zur Europawahl 2019 ganze 23 Punkte an Zustimmung. Diese liegt nun bei elf Prozent, ein Teil der Stimmen dürfte an die progressive Europapartei Volt gegangen sein, ein Teil aber auch an die AfD. Warum?

Die Lage am Morgen – die Grün-Grauen Panther (3)

Der Klimaschutz ist in der Prioritätenliste der Menschen abgerutscht, auch bei den Jungen. Der Krieg und die diffuse Sehnsucht nach Frieden bewegen viel mehr, aber auch soziale Fragen, Kriminalität, Einwanderung.

Die Grünen brauchen eine Verjüngungsidee, sonst werden sie zur würdigen Nachfolgepartei von Trude Unruhs Grauen Panthern. Aus der Partei sind innovative Konzepte allerdings derzeit nicht zu vernehmen. Und so wirkt es schon ein wenig anachronistisch, wenn einen Tag nach der grünen Vollpleite Parteichefin Ricarda Lang im Rahmen des Politikawards mit einem Preis gewürdigt wird. Lang ist »Aufsteigerin des Jahres«.

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Europa III: Kanzlerdämmerung

Olaf Scholz, diese Spekulation sei erlaubt, wird im Bundestag nicht die Vertrauensfrage stellen, wie es CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gleich am frühen Sonntagabend gefordert hat. Olaf Scholz wird sich auch nicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anregen lassen und Neuwahlen anstreben. Olaf Scholz wird Olaf Scholz bleiben und erst einmal gar nichts machen.

Die Lage am Morgen – die Grün-Grauen Panther (4)

Der Kanzler wird business as usual simulieren und heute den chilenischen Präsidenten Gabriel Boric mit militärischen Ehren empfangen. Und er wird mit Blick auf das nächste Jahr hoffen, dass die Unbeliebtheit von CDU-Chef Friedrich Merz weiterhin groß sein wird, was ihm zu einem zweiten Wunder (das erste war der Wahlsieg 2021) verhelfen könnte. »Die letzte Hoffnung der SPD heißt Friedrich Merz«, schreibt mein Kollege Christoph Hickmann.

In der SPD sind nicht alle so zuversichtlich, dass alles wieder irgendwie werden wird. Eher fragt man sich: Wie tief dürfen Umfragen und Stimmung noch sinken, bevor etwas passiert? In der Fraktion werden Rufe nach einem Kurswechsel laut, wie meine Kollegen Christian Teevs und Marina Kormbaki berichten. Der Fokus solle mehr auf sozialdemokratischen Themen liegen.

Der Kanzler braucht Momentum, einen Neustart, will er die verbleibenden 15 Monate der Legislatur nicht als »lame duck« gelten. Als lahme Ente also, die nur noch auf ihre Ablösung wartet.

Das Thema Frieden hat in der SPD-Kampagne offenbar nicht funktioniert, obwohl es auf der Themenliste der Deutschen ganz oben steht.

Dazu passend stellen heute die Friedensforschungsinstitute des Landes um 13 Uhr ihr neues »Friedensgutachten« vor. Es geht um mögliche Friedensverhandlungen in der Ukraine, um Rüstung, den Rechtsruck in Europa, im Mittelpunkt aber steht die Lage in Gaza und die Frage, ob es einen auch von Deutschland anerkannten palästinensischen Staat geben muss.

  • SPD-Niederlage bei der Europawahl: Das rote Debakel

Lesen Sie dazu hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

  • Die letzte Hoffnung der SPD heißt Friedrich Merz: Das Ergebnis der Europawahl zeigt: Die Deutschen sind durch mit diesem Kanzler. Trotzdem wäre es falsch, wenn Olaf Scholz jetzt den Weg für Boris Pistorius freimacht. Eine Chance bleibt ihm noch.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Gewinnerin des Tages…

...ist Hindernisläuferin Gesa Krause, die gestern bei der Leichtathletik-EM für wenige Minuten Trägerin einer Goldmedaille sein durfte, was im Trubel um die EU-Wahl und der atemberaubenden Niederlage von Alexander Zverev im Finale bei den French Open ein wenig unterging.

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Krause, gerade frisch zurück aus der Babypause, wurde beim 3000-Meter-Hindernislauf Zweite. Doch die Siegerin, die Französin Alice Finot, wurde nachträglich disqualifiziert, da sie eine weiße Seitenlinie übertreten hatte. Wenig später wurde die Entscheidung aber wieder revidiert, weil der Französin durch das Übertreten kein Vorteil entstanden sei. Bis zum Abend war nicht klar, welche Medaille nun wer bekommen würde. Aber am Ende dieser Geschichte ist das eigentlich auch egal.

  • Mehr zur Läuferin: Hindernisläuferin Krause qualifiziert sich nach ihrer Babypause für Olympische Spiele

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Trump buhlt mit Trinkgeldversprechen um Wahlstimmen: Bei 38 Grad und mit irrlichterndem Teleprompter absolviert Donald Trump einen Wahlkampftermin in Nevada. Dabei ködert er die vielen Mitglieder der Serviceindustrie mit einem Steuergeschenk – das teuer werden dürfte.

  • »Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet?«: Bei n-tv sind Lars Klingbeil und Alice Weidel heftig aneinandergeraten. Der SPD-Chef sprach im Zusammenhang mit der AfD von »Nazis« – und blieb auch auf Nachfrage dabei.

  • Rechtsextremist Tommy Frenck verliert Landrats-Stichwahl: Dass der Neonazi Tommy Frenck in Südthüringen zur Landratswahl zugelassen wurde, löste bundesweit Verwunderung aus. Dann gab es Entsetzen, als er in die Stichwahl kam. Nun folgte die deutliche Niederlage.

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

Die Lage am Morgen – die Grün-Grauen Panther (6)

Strom aus dem Zaun – wie das jetzt funktionieren kann: Solarmodule, die Sonnenlicht in elektrische Energie verwandeln, sind so günstig geworden, dass sie als Baustoff dienen. Bekommt die Energiewende einen Schub?

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag und die Woche!

Ihr Martin Knobbe, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros

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